Weevil News

http://www.curci.de/Inhalt.html

No. 37

10 pp.

11th September 2007

ISSN 1615-3472

Bayer, C., H. Winkelmann & F. Bahr (2007): Ergebnisse einer faunistischen Studie auf der Insel Rhodos. Erster Beitrag zur Fauna von Griechenland (Coleoptera, Curculionoidea). - Weevil News: http://www.curci.de/Inhalt.html, No. 37: 10 pp., CURCULIO-Institute: Mönchengladbach. (ISSN 1615-3472).


Ergebnisse einer faunistischen Studie auf der Insel Rhodos.
Erster Beitrag zur Fauna von Griechenland
(Coleoptera: Curculionoidea).
von
Christoph Bayer (Berlin), Herbert Winkelmann
(Berlin) und Friedhelm Bahr (Viersen)
Mit 152 Abbildungen auf 37 Bildtafeln, 1 Karte und 1 Tabelle.

Manuscript received: 28th July 2007
Accepted: 2nd September 2007


Abstract: Results of a faunistic study on the island of Rhodes. First contribution to the fauna of Greece (Coleoptera: Curculionoidea).
This contribution to the weevil fauna of Rhodes (Greece) contains a description of 19 localities, species lists and numerous pictures of biotopes and specimens. The data were collected during a field trip from 31st March to 14th April 2007 to Rhodes. The species list of Rhodes will be part of the online-catalogue "Weevil Fauna of Greece" which will appear in 2007. It will refer also to problems of determination and taxonomy of the weevils of this region.

Zusammenfassung
Im Rahmen der Erforschung der Rüsselkäfer-Fauna Griechenlands wurde vom 31.3. bis 14.4.2007 eine Exkursion nach Rhodos unternommen. Es wurden 19 Standorte untersucht. Dieser Beitrag enthält eine Karte der Fundorte, zahlreiche Fotografien der Biotope, Pflanzen- und Lebendaufnahmen ausgewählter Rüsselkäfer-Arten. Die Gesamtartenliste der bisher nachgewiesenen Arten von Rhodos wird in den in Kürze erscheinenden Katalog der Rüsselkäfer Griechenlands übernommen.


1. Einleitung
Im Rahmen der Untersuchungen der Rüsselkäferfauna Griechenlands unternahmen die Autoren vom 31.3. - 14.4. 2007 eine Exkursion zur Insel Rhodos. Die Insel liegt in der Ost-Ägäis und ist die Hauptinsel der Inselgruppe Dodekanes ("Zwölf Inseln"). Rhodos ist ca. 80 km lang und 35 km breit, die Gesamtfläche beträgt fast 1400 km². Sie ist die südöstlichste Insel Griechenlands und liegt nur knapp 20 km südlich des türkischen Festlands [W37.1]. Flora und Fauna weisen daher Beziehungen zu Kleinasien auf. Wir rechneten daher damit, auf viele Arten zu stoßen, deren Hauptvorkommen auf dem türkischen Festland liegt. Auf Rhodos liegen mehrere kleine Bergketten, deren höchste der 1215 m hohe Attaviros ist. Die Gipfel der weiteren Berge liegen bei 600-800 m Höhe. Aufgrund der geringen Höhe der Berge und der Nähe zum Festland ist – bezogen auf die Rüsselkäferfauna – das Vorkommen von Endemiten auf Rhodos eher unwahrscheinlich. Da wir für unsere erste Erkundung der Insel das zeitige Frühjahr gewählt haben, konnten wir noch die Hauptblütezeit der mediterranen Thero- und Geophyten erleben [W37.2]. Besonders die Formenvielfalt und Farbenpracht der Orchideen war beeindruckend, auch wenn diese Pflanzenfamilie im mediterranen Raum von Phytophagen kaum genutzt wird [W37.3]. Floristisch weist Rhodos hingegen einige Besonderheiten auf. Neben dem Vorkommen von Endemiten ist auch das Fehlen bestimmter Taxa, das erst in neuerer Zeit systematisch untersucht wird, ein interessantes und oft noch nicht erklärtes Phänomen. So fehlt auf Rhodos beispielsweise die Gattung Viola (Veilchen). Auf dem nahe gelegenen türkischen Festland jedoch kommen Viola-Arten wie auch im übrigen Mediterrangebiet und auf vielen Inseln der Ägäis vor. Bei der gezielten Suche nach annuellen Entwicklungspflanzen in Therophytenfluren und auf Ackerbrachen fiel uns darüber hinaus das Fehlen einjähriger Veronica-Arten (Ehrenpreis) auf. Veronica anagallis-aquatica L. (Blauer Wasser-Ehrenpreis) war die einzige Art der Gattung auf dieser Insel [W37.4]. Ebenfalls bemerkenswert ist die Arten- und Individuenarmut der Gattung Verbascum (Königskerze), da das türkische Festland ein Schwerpunkt der Formenvielfalt dieser Gattung ist. Es verwundert daher nicht, dass kein Vertreter der Gattungen Cionus, Cleopus und Gymnetron (Rhinusa, pars) gefunden wurde, was jedoch auch jahreszeitlich bedingt sein könnte, da die Arten der Verbascum-Zönose erst zu Beginn der Blütezeit der Königskerze ohne größeren Aufwand nachgewiesen werden können. Schließlich wurden bei der gezielten Suche nach Rüsselkäfern auch andere interessante Tiere beobachtet [W37.5].

2. Die Fundorte [W37.Karte].
Da die Autoren erstmalig Rhodos besuchten und nur zwei Wochen Zeit hatten, sollten möglichst unterschiedliche Standorte von der Küste bis zu den höchsten Bergen untersucht werden, um einen ersten Überblick über das Spektrum der Lebensräume zu erhalten. Von einer günstigen Unterkunft bei Kolimbia (Nordostküste) wurden sowohl Biotope in der direkten Umgebung (Fundorte 1, 4, 7, 8, und 15) [W37.6] als auch weiter entfernte Fundorte aufgesucht. Typische Küstenstandorte waren die Fundorte 4, 8, 14, 15 und 17 [W37.7], typische Bergstandorte die Fundorte 2 und 16 [W37.8]. Das einzige größere Süßgewässer auf Rhodos ist ein Stausee im Süden der Insel, dessen Uferbereich bei einem natürlichen Zulauf untersucht wurde (Fundort 19) [W37.9]. Bei Fundort 11 handelt es sich um eine typische Ruderalflur am Rand einer Siedlung [W37.10]. Fundort 9 ist eine breite Schlucht mit einem flachen, trocken gefallenen Flussbett [W37.11].

3. Bemerkenswerte Beobachtungen
Das Besondere an einer faunistischen Exkursion ist für uns die Möglichkeit, Beobachtungen zur Lebensweise und zum Verhalten der Tiere zu machen. Diese werden im besten Fall als Fotografie oder Videosequenz festgehalten. Wer den Aufwand kennt, der für den Nachweis der meisten Rüsselkäfer-Arten erforderlich ist, kann nachvollziehen, dass allein die Bilddokumentation der Beobachtungen im Gelände eine gewisse Herausforderung darstellt. Dies trifft umso mehr zu, wenn bestimmte Qualitätsstandards eingehalten werden sollen. Lebendabbildungen von Rüsselkäfern und ihren Entwicklungsstadien sind für uns von großer Bedeutung, sagen sie doch zur Lebensweise der Art sehr viel mehr aus als die klassische Dorsalabbildung eines oft unnatürlich präparierten Sammlungsexemplars. So zeigen Lebendabbildungen oft erst die arttypische Färbung einer Imago und damit deren Tarnung im Biotop oder weitere spezielle Anpassungen. Beispiele hierfür sind die Wachsüberzüge vieler Cleoninae oder auffällige Schuppenmuster sowie der "Mantel aus Erdreich" vieler bodenlaufaktiver Arten, deren Tarnung und Totstellverhalten (Thanatose) mit Hilfe von Lebendfotos aus dem natürlichen Lebensraum gut nachvollziehbar wird [W37.12]. Darüber hinaus verdeutlichen auch Abbildungen von Aufenthalts-, Fraß- und Entwicklungspflanzen viele Aspekte der Überlebensstrategien phytophager Käfer. Sie zeigen z. B. den Entwicklungszustand der Pflanze bei der Eiablage und während der Larvalentwicklung oder machen dem Betrachter die Wahl des Verpuppungsortes unter dem Aspekt des Schutzes und der Tarnung verständlich [W37.13]. Da es am Fundort zeitlich nicht möglich ist, die gesamte Entwicklung und Biologie einer Art zu beobachten, liefern Fütterungs- und Aufzuchtversuche wertvolle Informationen. Auch die im Gelände nicht leicht zu beobachtende Verpuppungs- und Schlupfphase der Tiere kann dann im Detail untersucht und dokumentiert werden [W37.14].
Schließlich sei noch auf die überwiegende Zahl der Arten hingewiesen, zu denen keine "bemerkenswerten Beobachtungen" gemacht werden konnten. Die Arten dieser "Kategorie" wurden entweder mittels "unspezifischer" Methoden (Keschern, Klopfen, Sieben …) oder bei der gezielten Suche oder der Beobachtung anderer Arten "nebenbei" entdeckt, und landen somit auf der Artenliste [W37.15]. Oft sind dies migrierende Einzelexemplare oder bodenlaufaktive Arten (von denen viele zu den so genannten "unspezialisierten Kurzrüsslern" gehören, deren Larven sich frei im Boden an den Wurzeln ihrer Wirtspflanzen entwickeln). Bei diesen Arten Eiablage oder Larvalentwicklung zu studieren, gehört zu den größeren Herausforderungen and den Biologen und nimmt viel Zeit in Anspruch. Daher ist diese Artengruppe auch etwas Besonderes, denn die Klärung ihres Verhaltens und ihrer Ansprüche an den Lebensraum gehören auf unsere Agenda!

Zur Verdeutlichung des unterschiedlichen Wissensstandes, der zu den einzelnen Arten existiert, sollen hier drei "Erforschungsgrade" verglichen und mit Beispielen von der Insel Rhodos belegt werden:

    1. Gut untersuchte Arten: Lebensweise, Entwicklungspflanzen und Lebenszyklus
        sind hinreichend bekannt (meist so genannte "Schädlinge" an Nutzpflanzen)
        [
W37.16].
    2. Unzureichend gut untersuchte Arten: Entwicklungspflanze oder einige Fraß-,
        beziehungsweise Aufenthaltspflanzen bekannt. Daten zur Entwicklung und zu
        den Ansprüchen an den Lebensraum fehlen oder sind nur lückenhaft belegt
        [
W37.17].
    3. Nicht untersuchte Arten: Daten zu Lebensweise, Entwicklungspflanzen und
        Lebenszyklus fehlen weitgehend oder basieren auf Zufallsbeobachtungen
        [
W37.18].

Kommentare zu ausgewählten Taxa:

Bagous sp.
Die artenreiche Küstenvegetation an Fundort 15 wurde bei mehreren Begehungen intensiv abgesucht. Durch Abklopfen der Krautschicht wurde auch ein Männchen der Gattung Bagous gefunden. Ein Zusammenhang mit einem typischen Bagous-Biotop oder einer Entwicklungspflanze konnte nicht hergestellt werden. Sowohl an Fundort 15 (schlammige Tümpel im Mündungsbereich eines Flusses) als auch an Fundort 19 (flache Uferzone eines Stausees) wurde gezielt nach Arten der Gattung gesucht. Diese Versuche blieben jedoch erfolglos [W37.19].

Brachycerus spp.
In verschiedenen felsigen Biotopen wurden am Boden bereits gestorbene und in den Boden vergraben lebende Imagines der Gattung Brachycerus gefunden. Offenbar waren die vergrabenen Tiere bereits in die Sommerruhe gegangen, da die Imagines im Mittelmeerraum oft winteraktiv sind. Um zu prüfen, ob die Eiablage an Zwiebelgewächsen bereits stattgefunden hatte, wurden einige Zwiebeln z. B. der Gattung Ornithogalum (Milchstern) ausgegraben. Die Beobachtungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen [W37.20].

Chiloneus jonicus Kraatz 1859
Dieser bodennah lebende Kurzrüssler wurde an Fundort 2 und 16 zwischen 600 und 800 m Höhe gefunden. Es handelte sich ausschließlich um überwinterte Alt-Imagines. Aufgrund der wenigen Exemplare, die noch am Leben waren (am Boden wurden zahlreiche Überreste verstorbener Tiere gefunden), gehen wir davon aus, dass die neue Generation erst im Mai erscheint. Chiloneus jonicus wird oft in Verbindung mit Urginea maritima (L.) Baker (Meerzwiebel) bzw. Asphodelus-Arten (Affodill) gefunden. Eine Entwicklungspflanzenbindung ist noch nicht bekannt [W37.21].

Coniatus suavis Gyllenhal 1834
Nach Imagines der Gattung Coniatus wurde immer wieder erfolglos gesucht, bis an einem einzigen von Hunderten untersuchter Bäume und Sträucher der Gattung Tamarix (Tamariske) zahlreiche gegitterte Kokons gefunden wurden [W37.23]. Aus diesen schlüpften erst nach über einer Woche Imagines von Coniatus suavis. Das Fehlen von Imagines zu diesem Zeitpunkt des Jahres hängt möglicherweise nur zum Teil mit der Larvalphase im Frühjahr zusammen. Wir vermuten, dass mehrere Generationen im Jahr möglich sind und so in der Winterpause entstandene Populationseinbrüche kompensiert werden können. Nach Coniatus tamarisci (Fabricius 1787) wurde vergeblich gefahndet.

Donus audax Faust 1887
Um weitere Erkenntnisse zu den Entwicklungspflanzen der Hyperini zu erhalten, wurde bei der Suche am Boden und in der Krautschicht besonders auf Fraßspuren an Pflanzen und Aufenthaltsorte der Larven geachtet. An Fundort 2 konnten schon Anfang April größere Hyperini-Larven festgestellt werden, die mit Trifolium stellatum-Beständen assoziiert waren. Fraßtests bestätigten Trifolium stellatum L. in diesem Biotop als die Entwicklungspflanze, von der sich die Larven und auch die frisch geschlüpften Imagines von Donus audax ernährten. Wahrscheinlich gehören an anderen Fundorten auch weitere Fabaceae (Schmetterlingsblütler) zum Spektrum der Entwicklungspflanzen [W37.24].

Donus orientalis Capiomont 1867
Bei der Suche nach Donus-Arten der höheren Lagen wurden an Fundort 2 und 16 in 600-800 m Höhe zahlreiche Larven und auch "geschlossene" Kokons gefunden, die sich deutlich von den Gitterkokons von Donus audax unterschieden. Die geschlüpften Imagines konnten als Donus orientalis bestimmt werden. An den Fundorten wurden gleichzeitig mit den Larven und Kokons auch Imagines der überwinterten und der neuen Generation gefunden. Den Larven wurde in den Zuchtgefäßen eine "Salatmischung" verschiedener krautiger Pflanzen als Nahrung angeboten. Sie fraßen ausschließlich "Löwenzahn"-Blätter und wurden daraufhin weiterhin nur mit Taraxacum (der mitteleuropäische Löwenzahn) gefüttert. Diese Nahrung wurde mehrere Wochen erfolgreich angeboten, bis die Imagines ausgehärtet waren und zur Diapause (Sommerruhe) übergingen. Mit Donus orientalis ist ein Zuchtversuch geplant [W37.25].

Hadroplontus trimaculatus (Fabricius 1775)
Die Art kommt im südlichen Mitteleuropa, Vorderasien und Nordafrika vor. Als Entwicklungspflanzen nennt Dieckmann [Dieckmann 1972] Cirsium vulgare (Savi) Ten. (als Cirsium lanceolatum L.) und mehrere Carduus-Arten (Disteln, Asteraceae). An Fundort 15 konnten ein frisch geschlüpftes Exemplar und weitere Imagines der neuen Generation aus dem Boden unter einer Kugeldistel (Echinops sp.) ausgegraben werden. Da die Larven vieler Arten der Ceutorhynchinae zur Verpuppung ihre Entwicklungspflanze verlassen und im Boden einen Erdkokon bauen, ist der Fund immaturer Tiere im Boden ein plausibler Nachweis der Entwicklungspflanze. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass der Kreis potentieller Wirtspflanzen von Hadroplontus trimaculatus noch größer ist [W37.26].

Hypera jucunda (Capiomont 1868)
Auf den Sandbiotopen an der Küste (Fundort 15) wurden mehrere immature Imagines der Art gefunden. Larven, die am gleichen Ort gesammelt wurden entwickelten sich zu Imagines von Hypera jucunda bzw. Hypera postica. Da die Larven beider Arten nicht zu trennen waren und sie sich bereits kurz vor der Verpuppung befanden, konnten keine Versuche zur Bindung an spezielle Entwicklungspflanzen gemacht werden. Die Tiere entwickeln sich jedoch mit Sicherheit an krautigen Schmetterlingsblütlern (Fabaceae) und wurden am Fundort oft in Beständen von Lotus halophilus Boiss. & Spruner nachgewiesen. Für die Beobachtung der Larven an den Entwicklungspflanzen war der Beobachtungszeitraum folglich bereits zu spät gewählt. Wenn (und dies gilt für alle Hyperini) die Larven des letzten Stadiums ihre Fraßpflanze – auf der Suche nach einem geschützten Ort für den Bau des Kokons – bereits verlassen haben, bleibt dem Beobachter nur das Warten auf die frisch geschlüpften Tiere, deren Fraßwahlverhalten nicht unbedingt mit dem der Larve übereinstimmt. Daher können wir hier noch keine Angaben über das Spektrum der Wirtspflanzen von Hypera jucunda machen [W37.27].

Hypera lunata Wollaston 1854
Die Art ist im Mittelmeerraum weit verbreitet und entwickelt sich an verschiedenen Arten der Gattung Erodium (Reiherschnabel). Während wir an Fundort 16 auf 800 m Höhe noch Larven finden konnten, wurden in den Sandbiotopen der Küste (Fundort 15) Kokons mit Puppen und bereits geschlüpfte Imagines der neuen Generation nachgewiesen. Dabei erwiesen sich sowohl die Kokons als auch die Tiere als perfekt getarnt, so dass erstere nur durch Zufall (aufgerissener Kokon) und letztere nur nach Ablauf ihrer Totstellzeit entdeckt werden konnten. Erst eine Aufnahme einer Imago im natürlichen Lebensraum macht die sonst nur als "Laune der Natur" erscheinende markante Zeichnung des Integuments als Anpassung zur Tarnung verständlich [W37.28]. Ähnlich gezeichnet ist die nächstverwandte Art Hypera dauci (Olivier 1807), deren Verbreitungsschwerpunkt im südlichen Mitteleuropa liegt. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei hier erneut darauf hingewiesen, dass die Synonymie von Hypera fasciculata (Herbst 1795) mit Hypera lunata oft übersehen wird, weshalb beide Namen auch in "aktuellen" Faunenlisten oft noch nebeneinander aufgeführt werden [Alziar 2007] [Abbazzi 1994].

Hypolixus ornatus (Reiche 1857)
An mehreren Fundorten an der Küste wurden zahlreiche (insgesamt > 50 Ex.) Imagines von Hypolixus ornatus beobachtet, die sich bevorzugt an die Zweige von Tamarix (Tamariske) klammerten. Die Vermutung, dass die Art an Tamarix lebt, wurde schnell verworfen, da die Tiere später auch an krautigen Pflanzen gefunden wurden. Bei ersten Fraßtests wurde Tamariske nicht, dafür jedoch verschiedene Chenopodiaceae (Gänsefußgewächse) befressen. Wahrscheinlich entwickelt sich die Art, wie viele verwandte Arten der Cleoninae an Gänsefußgewächsen. Der Aufenthalt der Tiere auf Tamarix könnte mit der Überwinterung bzw. mit Wanderungsbewegungen in Zusammenhang stehen [W37.29]. Hypolixus ornatus wird in der Rüsselkäfer-Fauna von Zypern [Alziar 2007] abgebildet und trägt dort den Namen "Hypolixus pulvisculosus Boheman 1836". Nach Informationen von Lutz Behne (ZALF, Müncheberg) ist "pulvisculosus" ein jüngeres Synonym zu "ornatus". Wir gehen davon aus, dass es sich bei den Belegen von Zypern und denen von Rhodos um dieselbe Art handelt.

Larinus carinirostris Gyllenhal 1836
Die Art lebt im östlichen Mediterrangebiet an Carlina (Gold-/ Silberdistel, Asteraceae). Auf Rhodos wurde Larinus carinirostris vorwiegend unter den Entwicklungspflanzen gefunden, da diese ihre Blütenstände erst im Hochsommer entwickelt. Bei der Präparation der mitgebrachten Belege stellte sich heraus, dass einige der Imagines immatur waren. Dies stellt innerhalb der Larinus-Arten eine Besonderheit dar, da sich die neue Generation in der Regel im Hochsommer in den Köpfchen von Korbblütlern entwickelt und diese noch im gleichen Jahr verlässt. Zur Klärung der Beobachtung frisch geschlüpfter Imagines von Larinus cariniostris im April sind weitere Daten zur Lebensweise erforderlich [W37.30].

Lixus cribricollis Boheman 1836
Die Art wurde auf Rhodos sowohl an Fundort 14 (Theologos, Strand) als auch an Fundort 19 (Apolakkia, Stausee) nachgewiesen. Während Lixus cribricollis an Fundort 19 als Imago auf Rumex (Ampfer, Familie Knöterichgewächse - Polygonaceae) gefunden wurde und sich offensichtlich zur Paarung und Eiablage auf den Pflanzen aufhielt, wurden an Fundort 14 bei der Suche nach Apion-Arten an Emex spinosa (L.) Campd. (Polygonaceae) Larven im Stängel absterbender Pflanzen gefunden, aus denen nach einem Monat Tiere der neuen Generation von Lixus cribricollis schlüpften. Lixus cribricollis ist also innerhalb der Knöterichgewächse oligophag. Bisher waren nach Dieckmann [Dieckmann 1983] nur Arten der Gattung Rumex als Entwicklungspflanze bekannt. Darüber hinaus zeigt der zeitgleiche Fund der Art in unterschiedlichen Stadien der Entwicklung, wie stark das Mikroklima verschiedener Biotope den Lebenszyklus und damit auch die Nachweisbarkeit einer Art beeinflussen kann. Interessant ist auch die Beobachtung, dass die Larven von Apion frumentarium (L.) (= A. miniatum auct.), welches an verschiedenen Fundorten (8, 14, 15) an Emex spinosa gefunden wurde, sich in den Nodien (Knoten) der Sprossachsen entwickeln, während die Internodien (Stängelabschnitte zwischen den Knoten) gleichzeitig von Lixus cribricollis genutzt werden [W37.31] [W37.32].

Lixus junci Boheman 1836
Die Art konnte an Fundort 14 beobachtet werden. Die Imago hielt sich auf Beta vulgaris L., der Wildform des Mangold, auf. Im Stängel der Pflanze, dem Ort der Entwicklung der Larven, waren typische Eiablagespuren zu erkennen. Lixus junci ist ein gutes Beispiel dafür, wie hilfreich botanische Kenntnisse bei der Arterkennung im Gelände sind. Achtet man nur auf die auffälligen Merkmale der Imago, so wäre aufgrund des markanten weißen Seitenstreifens eine Verwechslung mit der häufiger anzutreffenden Art Lixus albomarginatus möglich. Dieser lebt jedoch ausschließlich an Kreuzblütlern (Brassicaceae) und wurde auf Rhodos an FO 15 auf Cakile maritima Scop. (Europäischer Meersenf) gefunden [W37.33].

Orthochaetes (= Comasinus) sp.
Bei der Bodensuche und beim Abklopfen der Krautschicht wurden an verschiedenen Fundorten Imagines der Gattung Orthochaetes gefunden. Besonders zahlreich (ca. 50 Exemplare) war die Art an Fundort 4 und 15, wo sie in Sandstrand- und Küstenfels-Biotopen gefunden wurde. Bei Fraßtests mit Pflanzen aus der Nähe der Fundstellen wurden Fabaceae (Schmetterlingsblütler) befressen. Besonders gut wurden Lotus halophilus Boiss. & Spruner und Onobrychis sp. (Esparsette) angenommen. Ebenfalls an Fundort 15 wurde eine weitere Art der Gattung Orthochaetes gefunden, die möglicherweise an Arten der Asteraceae (Korbblütler) lebt [W37.22].

Pseudoprotapion elegantulum (Germar 1818)
Die Art ist nach Dieckmann [Dieckmann 1977] in größeren Teilen Europas (fehlt in Nordeuropa), Vorder- und Mittelasien sowie Sibirien und Nordafrika verbreitet. Die Entwicklung findet ausschließlich an Arten der Gattung Onobrychis (Esparsette) statt. Auf Rhodos wurden die Imagines an den noch nicht blühenden Blütenständen einer mehrjährigen Esparsetten-Art beobachtet. Die Weibchen fraßen Löcher in die Blütenknospen und waren offensichtlich gerade bei der Eiablage [W37.34].

Sitona syriacus Stierlin 1885
Bei der Bodensuche in einem Sandstrandbiotop (Fundort 15) [W37.35] mit artenreicher krautiger Sandküstenvegetation wurde Sitona syriacus gefunden. Bei der gezielten Suche nach den Flächen mit der größten Individuendichte konnte Sitona syriacus mit Lotus halophilus Boiss. & Spruner als potentieller Entwicklungspflanze in Zusammenhang gebracht werden. Die Imagines waren überwiegend immatur (frisch geschlüpft). Einige Tiere gehörten zur überwinterten Generation. Larven oder Puppen wurden nicht beobachtet [W37.36].

Strophomorphus porcellus (Schoenherr 1832)
An Fundort 4 und 15 wurden bei der Bodensuche mehrere überwiegend immature Exemplare von Strophomorphus porcellus gefunden. Die Tiere sind sehr lichtscheu und graben sich kurz nach einer Störung in den Untergrund ein. Offensichtlich sind sie nachtaktiv. An Fundort 7 wurden beim Graben im Boden eine Puppe und zwei Larven gefunden. Die Puppe, deren Erdkokon zerstört worden war, wurde bis zum Schlüpfen in angefeuchtetem Zellstoff aufbewahrt. Ende April, circa drei Wochen nach dem Fund, schlüpfte die Imago. Strophomorphus porcellus ist offensichtlich ein Larvalüberwinterer, dessen Imagines von Mitte April bis in den Herbst anzutreffen sind. Überwinterte Alt-Imagines wurden nicht gefunden. Die "erdverbundene" Lebensweise und das Aussehen waren wohl der Grund, warum der Erstautor die Art als "Schweinchen bzw. Ferkel" (Bedeutung des lateinischen Wortes "porcellus") titulierte [W37.37].

Trichosirocalus urens (Gyllenhal 1837)
Die Arten der Gattung Trichosirocalus sind bis auf wenige, sogenannte "häufige" Arten (Trichosirocalus troglodytes, Trichosirocalus horridus) oft nur durch gezielte Suche am Boden zu finden. Auf Rhodos gelang der Nachweis von Trichosirocalus urens an mehreren Fundorten. Die Tiere wurden stets unter den bodennahen Blättern von Carlina graeca Boiss. (Asteraceae) gefunden. Larven oder Puppen wurden nicht gefunden. Trichosirocalus urens wird auch von weiteren Asteraceae gemeldet [Colonnelli 2004].

4. Diskussion
Die jahreszeitlichen Bedingungen
Für das Ziel der Erfassung möglichst vieler Arten ist eine zweiwöchige Exkursion grundsätzlich viel zu kurz, da sich der Zeitraum der optimalen Nachweisbarkeit bezogen auf die verschiedenen Gruppen der Rüsselkäfer über viele Monate verteilt. Auch stellte sich heraus, dass viele Arten in der ersten Aprilhälfte gerade in der "Larvalphase" sind, was einen Nachweis besonders dann erschwert, wenn wenige oder keine Informationen zur Entwicklungspflanze bzw. zum genutzten Pflanzenteil vorliegen. Findet man z. B. keine Imagines der Gattung Otiorhynchus, obwohl das Vorkommen der Verwandtschaft auf Rhodos bekannt ist, so müsste man zum Nachweis unkalkulierbar große Mengen Erdreich "durchsuchen", um an Larven zu kommen, die nur schwierig aufzuziehen sind. Aufgefundene Larven erfordern stets einen hohen Zeitaufwand bei der Aufzucht, die spätere Zuordnung zu einer Art ist jedoch nur auf diese Weise möglich. Für die Erfassung der Hyperini war der Zeitraum hingegen nahezu optimal, da z. B. bei vielen Donus-Arten nur in der Larvalphase Beobachtungen zur Bindung an die Entwicklungspflanze möglich sind und die Aufzucht der Larven relativ einfach ist [Dieckmann 1989]. Der Nachweis von Exemplaren aus den artenreichen Taxa Apionidae und Ceutorhynchinae hingegen war eher problematisch, da die neue Generation überwiegend noch nicht geschlüpft war und daher viele Arten – deren Vorkommen zu erwarten ist – nicht gefunden werden konnten.

Liste der Arten von Rhodos
Insgesamt wird die gemessen am Aufwand relativ geringe Zahl nachgewiesener Arten dadurch "ausgeglichen", dass bewusst viel Zeit für die Fotodokumentation und biologische Beobachtungen eingeplant wurde. Durch diese Vorgehensweise kamen einige interessante Beobachtungen zur Lebensweise sowie zur Biotop- und Entwicklungspflanzenbindung zustande. Über die bloße Artenliste hinaus, stellen diese Bilddokumente und Beobachtungen die eigentliche Grundlage unseres Beitrags dar.
Die auf Rhodos nachgewiesenen 127 Rüsselkäferarten können hier lediglich in einer vorläufigen Artenliste zusammengefasst werden, da die Determination einiger Taxa noch aussteht! [W37.Artenliste]

Determination der Arten
Da weder für Rhodos noch für Griechenland oder die Türkei zusammenfassende Bestimmungsliteratur vorliegt, haben wir auf die altbekannten und oft unzureichenden Bestimmungswerke für den mittel- und westeuropäischen Raum zurückgegriffen [Freude 1883] [Hoffmann 1950] [Hoffmann 1954] [Hoffmann 1958] [Kippenberg 1981] [Tempère & Péricart 1989] oder verschiedene Gattungs-Monographien genutzt [Caldara 1990] [Caldara 1998]. Darüber hinaus nutzten wir unsere privaten Vergleichssammlungen und in schwierigeren Fällen die hervorragend sortierte Sammlung des Deutschen Entomologischen Instituts (Müncheberg). In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass einige Taxa aus dieser bedeutenden Vergleichssammlung seit 15 Jahren ausgeliehen sind – offensichtlich also vom vorgeblichen "Bearbeiter" nicht bearbeitet werden – und somit für andere Wissenschaftler unzugänglich bleiben. Dies trifft z. B. auf die Verwandtschaft um die Gattung Orthochaetes (= Comasinus) zu. Die Belege dieser Taxa konnten wir daher nicht determinieren. Die kritische Haltung entomologischer Museen gegenüber privaten Sammlern sollte zuallererst dort zum Ausdruck gebracht werden, wo ihr eigenes Material als "Dauerleihgabe" in privaten Sammlungsschränken vermodert!

Danksagung
Unser Dank gilt den Kollegen Lutz Behne (Eberswalde) und Roman Borovec (Nechanice), die uns mit Auskünften über das Untersuchungsgebiet unterstützt haben. Herzlicher Dank geht an Dr. Peter Stüben (Mönchengladbach) und Dr. Peter Sprick (Hannover), die unsere Arbeit immer wieder hilfreich unterstützt haben. Besonders bedanken wir uns bei Marion Brunner (Berlin), die die uns auf der Exkursion begleitete und uns durch ihre Mitarbeit viele interessante Beobachtungen ermöglichte. Vor Ort hatten wir in Wolfgang Hock (Erfurt) fachkundigen Beistand bei der Determination unserer Orchideenbilder.

5. Literatur
Alziar, Gabriel (19. August 2007): The Curculionoidea-Fauna of Cyprus. - Le Charançon: Catalogues & Keys, No. 3, ISSN 1864-0699, CURCULIO-Institute, Mönchengladbach.
Abbazzi P., Colonnelli E., Masutti L. & Osella G. (1994): Coleoptera Polyphaga XVI (Curculionoidea). In: Minelli A., Ruffo S. & La Posta S. (eds): Checklist delle specie della fauna italiana, 61. Calderini, Bologna, 1-68.
Caldara R. (1990): Revisione tassonomica delle specie paleartiche del genere Tychius Germar (Coleoptera Curculionidae). Memorie della Società Italiana di Scienze Naturali e del Museo Civico di Storia Naturale di Milano, 25: 51-218.
Caldara R. & O’Brien C. W. (1998): Systematics and evolution of weevils of the genus Bagous. VI. Taxonomic treatment of the species of the western Palearctic Region (Coleoptera Curculionidae). Memorie della Società Entomologica Italiana, 76 (1997): 131-347.
Colonnelli E. (2004): Catalogue of Ceutorhynchini of the world, with a key to genera. Barcelona.
Dieckmann L. (1972): Beiträge zur Insektenfauna der DDR: Coleoptera – Curculionidae: Ceutorhynchinae. Entomologische Nachrichten und Berichte, 22, 3-128.
Dieckmann L. (1977): Beiträge zur Insektenfauna der DDR: Coleoptera – Curculionidae (Apioninae). Entomologische Nachrichten und Berichte, 27, 7-143.
Dieckmann L. (1983): Beiträge zur Insektenfauna der DDR: Coleoptera – Curculionidae (Tanymecinae, Leptopiinae, Cleoninae, Tanyrhynchinae, Cossoninae, Raymondionyminae, Bagoinae, Tanysphyrinae). Entomologische Nachrichten und Berichte, 33, 257-381.

Dieckmann L. (1989): Die Zucht mitteleuropäischer Hyperini-Arten (Coleoptera, Curculionidae). Entomologische Nachrichten und Berichte, 33, 97-102.
Freude H., Harde K. W. & Lohse G.A. (1983): Die Käfer Mitteleuropas, 11, Goecke & Evers, Krefeld, 342.
Hoffmann A. (1950): Faune de France, 52, Coléoptères Curculionides (Première Partie). Librairie de la Faculté des Sciences, Paris, 1-486 pp.
Hoffmann A. (1954): Faune de France, 59, Coléoptères Curculionides (Deuxième Partie). Réimpression 1986, Fédération Francaise des Sociétés de Sciences Naturelles, Paris, 487-1208 pp.
Hoffmann A. (1958): Faune de France, 62, Coléoptères Curculionides (Troisième Partie). Réimpression 1986, Fédération Francaise des Sociétés de Sciences Naturelles, Paris, 1209-1841 pp.
Kippenberg H. (1981): 93. Familie: Curculionidae, pp. 102-310. In: Freude, H., Harde, K. W. & Lohse, G. A.: Die Käfer Mitteleuropas, 10, Goecke & Evers, Krefeld.
Tempère G. & J. Péricart (1989): Coleoptères Curculionidae (Quatrième partie: Compléments). Faune de France, 74: Fédération Francaise des Sociétés de Sciences Naturelles, Paris, 1-534.


Adressen der Autoren
Christoph Bayer
Steilpfad 76
D-13509 Berlin / Germany
E-Mail:
baris.bayer@arcor.de

Herbert Winkelmann
Attendorner Weg 39A
D-13507 Berlin / Germany
E-Mail:
hyperiniwinkelmann@web.de

Friedhelm Bahr
Heinz-Luhnen-Straße 20
D-41751Viersen / Germany
E-Mail:
Fried.Bahr@t-online.de