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Weevil News |
http://www.curci.de/Inhalt.html |
No. 8 |
9 pp. |
6th May 2002 |
ISSN 1615-3472 |
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Sprick, P., H. Winkelmann & L.
Behne (2002): Rhopalapion longirostre - Anmerkungen zur Biologie und
aktuellen Ausbreitung in Deutschland. - Weevil News: http://www.curci.de/Inhalt.html,
No. 8: 9 pp., CURCULIO-Institut: Mönchengladbach. (ISSN 1615-3472). |
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Rhopalapion
longirostre (Olivier, 1807) (Coleoptera, Apionidae):
Anmerkungen zur
Biologie und zur aktuellen Ausbreitung in Deutschland
- ein Aufruf zur Mitarbeit
von
Mit 15 Abbildungen
und 1 Verbreitungskarte
Rhopalapion longirostre is a well characterized Apionid weevil, developing on
hollyhock (Alcea rosea L.). 20 years ago, the species was not indigenous
and occurred only for short periods in South Germany. In recent years there are
also records from North and East Germany (Hamburg, Bremen, Berlin: new record
in 2001). The species appears mainly in urban gardens on hollyhock and can be
well detected. For that reason and because of the distinct habitus - the
females have the longest rostrum of all Middle-European Apionidae - the recent
spreading of Rhopalapion longirostre in Germany can be documented easily. The significance of species-rich gardens with a heterogeneous vegetation structure as a biotope for insects is also emphasized by the dispersal of Rhopalapion
longirostre.
Key words
Coleoptera, Apionidae, Rhopalapion
longirostre, Malvaceae, Alcea rosea, new records, Germany, distribution, spreading.
Rhopalapion
longirostre ist eine leicht kenntliche Apionide, die an Stockrosen (Alcea rosea) lebt. Galt die Art
noch vor rund 20 Jahren als nicht heimisch und tauchte nur kurzfristig in
Süddeutschland auf, so gibt es in den letzten Jahren auch Nachweise in Nord-
und Ostdeutschland (Hamburg, Bremen, Berlin: Neunachweis 2001). Die Art tritt
vor allem in Stadtgärten an Stockrosen auf. Wegen der guten Nachweisbarkeit und der Unverwechselbarkeit (von allen
mitteleuropäischen Arten haben die Weibchen den längsten Rüssel) kann die aktuelle
Verbreitung von Rhopalapion longirostre in Deutschland auf einfache
Weise erfasst werden. Die Bedeutung struktur- und artenreicher
Kleingärten als Lebensraum für Insekten wird auch durch die Ausbreitung von Rhopalapion
longirostre verdeutlicht.
Die
Idee zu diesem Beitrag kam förmlich angeflogen: Vier kleine
Rüsselkäfer auf dem Blatt eines Malvengewächses in
einem Garten in Berlin-Tegel. Die hier behandelte Art, Rhopalapion
longirostre, ist praktisch nicht zu verwechseln. Die dunkel gefärbten,
durch dichte, weiße Behaarung grau erscheinenden Käfer haben einen langen, geraden Rüssel, der insbesondere bei den Weibchen
fast Körperlänge erreicht, und die Beine sind abstechend gelb gefärbt [Fig. 1] [Fig, 2] [Fig 3].
Auch die Entwicklungspflanze, die Stockrose (Alcea rosea L., syn.
Althaea rosea (L.) Cav.),
dürfte jedem Gartenliebhaber bekannt [Fig. 4] und auch schon im nichtblühenden Zustand gut erkennbar
sein [Fig. 5].
In den letzten Jahren häufen sich die
Neumeldungen über diese Art in vielen Teilen Mitteleuropas (Behne 1998).
Mit den folgenden Ausführungen wird versucht, einen Überblick über die
derzeitige Verbreitung in Deutschland zu geben.
Verbreitung
[Fig. 6 ]
Rhopalapion longirostre
ist nach Dieckmann (1977), Lohse (1981), Perrin (1984), Abbazzi
& Osella (1992) sowie Knutelski
& Petryszak (1997) vom südlichen Mittel-
und zentralen Südeuropa (Schweiz: Tessin, Wallis, italienische Halbinsel) über
die Slowakei, Österreich (Niederösterreich, Burgenland) und den Balkan ins
südliche Osteuropa sowie nach Vorder- und Mittelasien verbreitet. Eine
Übersichtskarte mit der bis 1984 bekannten Verbreitung enthält die Arbeit von Perrin (1984).
Nach Österreich soll die Art laut Wagner (in Dieckmann 1977) immer wieder eingeschleppt worden sein,
während Dieckmann für die
Slowakei von einer Einbürgerung ausgeht. In Nordafrika ist Rh. longirostre offenbar sehr selten: Es ist nur 1 Ex. aus Algerien bekannt.
Ehret (1983) meldet
die Art als Neufund für Frankreich. Teunissen
(schriftl. Mitteilung) verdanken wir den Hinweis auf den Erstfund für die
Niederlande (1993) (Kuijper-Nannenga 1995). Von der iberischen Halbinsel sind uns keine Nachweise bekannt. Die derzeit bekannte Verbreitung in Zentraleuropa zeigt Karte 1 [Fig. 6]. Nach Kanada und den USA wurde die Art bereits am Anfang des letzten Jahrhunderts verschleppt, seitdem hat sie sich dort ausgebreitet und ist fest etabliert.
Detaillierte
Angaben zur Biologie dieser Art finden sich bei Dieckmann (1977) und Pupier
(1997). In Mitteleuropa bzw. weiten Teilen des paläarktischen Verbreitungsgebietes entwickeln sich die Tiere monophag an
Alcea rosea, der Stockrose [Fig. 4]. Im Juni und Juli erfolgt die Eiablage in die
Blütenknospen [Fig. 7]. Dazu stechen die Weibchen mit ihrem langen Rüssel einen
„Eikanal“ in die großen Knospen. Die Larven schlüpfen nach ca. 3 Tagen und kriechen zwischen
den Staubfäden zum ringförmigen Fruchtknoten, wo sie sich in die jungen Früchte
einbohren. Die Larve benötigt für ihre Entwicklung den Inhalt eines Samens. Vor
der Verpuppung frisst sie ein Loch in die Samenwand und verschließt dieses mit
einem weißen Sekret. Die Imago verlässt den Samen durch dieses Loch [Fig. 8], [Fig. 9]. Die
Larvenentwicklung dauert vier bis sechs Wochen. Der Schlupf zieht sich
nach Literaturangaben bis in den September hinein, bei Samenkapseln aus Berlin
schlüpften bei niedrigen Zimmertemperaturen noch im Dezember einzelne Käfer [Fig. 10].
In
Arkansas (USA) und in der Türkei ist die Art auch an Baumwolle (Gossypium)
aufgetreten, und in Syrien wurde sie an einer unbestimmten Alcea-Art
beobachtet (P. Sprick). Über eine
Entwicklung an hochwüchsigen Malva spp., z.B. Malva sylvestris L.
(Wilde Malve) [Fig. 11],
Althaea officinalis L. (Eibisch) [Fig. 12]
oder Lavatera thuringiaca L. (Thüringer Strauchpappel) [Fig. 13], weiteren mitteleuropäischen
Malvengewächsen, ist bisher nichts bekannt geworden. Die beiden letztgenannten
Arten sind jedoch selten bis sehr selten und können schon aus diesem Grund für
das aktuelle Ausbreitungsgeschehen in Mitteleuropa keine Rolle spielen (zu Malva
siehe auch nächstes Kapitel).
Die Stockrose stammt aus Kleinasien. Ihre über 2 m hohen
Blütenstände gehören seit dem Mittelalter zum Pflanzenbestand der Bauerngärten [Fig. 14]. In früheren Zeiten wurde die Pflanze feldmäßig angebaut, und man
gewann man aus den Blüten einen roten Farbstoff, der zum Färben des Weines
diente (Hammer 1994). Sie ist
heute in Mitteleuropa weit verbreitet und verwildert oft in Städten und
Siedlungen.
Die Malvengewächse zeichnen sich durch 5 Fruchtblätter (oder einem
Mehrfachen dieser Zahl) aus. Der Fruchtknoten reift zu einer Kapsel heran oder
spaltet in der Regel in einsamige Teilfrüchte auf (Hammer 1994). Bei dem Tribus Malveae ist der Fruchtknoten
eine Scheibe, in der die einzelnen Karpelle wie in einer aufgeschnittenen Torte
angeordnet sind [Fig. 9]. Zur Reifezeit zerfällt die Frucht dann in
einzelne Teilfrüchtchen, die so genannten Meso- oder Schizokarpien
(Spaltfrucht). Nur eine Samenanlage je Teilfrucht zeichnet die Gattungen
Alcea, Althaea, Lavatera und Malva aus.
Die ovalen bis fast kreisrunden Samen(scheiben) haben bei der
Stockrose einen Durchmesser von 5-7 x 0,8-0,9 mm. Die runden Ausschlupflöcher
liegen auf der breiten Außenseite der Stockrosensamen [Fig. 8]. Die Früchte von Alcea rosea zerfallen
schließlich zwar auch in Teilfrüchte [Fig. 15], [Fig. 16]. Wie unsere Beobachtungen zeigten, bleiben sie zunächst jedoch
relativ lange in der trockenen Blütenhülle zusammen [Fig. 9].
Die Samen der kultivierten Gossypium-Arten (Baumwolle;
Tribus Hibisceae), die in fachspaltigen Kapseln liegen, sind nach Hammer (1994) etwa erbsengroß. Dagegen
sind die einsamigen Spaltfrüchte von Malva sylvestris relativ klein und
sehr flach, so dass sie keinen Raum für die Entwicklung des zu großen Rhopalapion
longirostre bieten.
Rhopalapion longirostre lebt somit an großfrüchtigen bzw. großsamigen Malvaceen
verschiedener Malvaceen-Triben, die in Mitteleuropa im Wesentlichen oder
ausschließlich durch die Stockrose vertreten sind (regionale Monophagie). Diese
Pflanze wird vielfach in Gärten, seltener auch in Parks angepflanzt. Arten mit
zu kleinen Früchten können nicht für eine Reproduktion genutzt werden, da sich
die Larven in den Samen entwickeln, die bei den meisten Malvaceen zu klein
sind.
Da
Rhopalapion longirostre eine südlich verbreitete, wärmeliebende Art ist,
erfolgt die Ausbreitung nach Norden nur in niederen Lagen, wo auch die
Wirtspflanze günstige Bedingungen vorfindet. Stockrosen werden häufig südseitig
vor Mauern und Hauswänden gepflanzt und vermehren sich auch gern in gartennahen
Pflasterritzen, wo sie die günstige Wärmesituation nutzen [Fig. 14]. Darüber hinaus dürften ausgeprägte
Wärmeperioden Ausbreitung und Ansiedlung begünstigen.
Zum
besseren Verständniss sei auf die Vielfältigkeit der Malvengewächse und ihrer
Besiedler aus der Gruppe der spezialisierten phytophagen Käfer (Coleoptera)
hingewiesen. Neben weiteren Apioniden wie Alocentron curvirostre (Gyll.), Aspidapion aeneum (F.),
A. radiolus (Marsh.), A.
soror (Rey) und A.
validum (Germ.), Malvapion
malvae (F.), Pseudapion fulvirostre (Gyll.),
moschatae (Hoffm.) und Ps.
rufirostre (F.) leben auch die Curculioniden Baris timida (Rossi) und Lixus angustatus (F.)
sowie Blattkäfer der Gattung Podagrica (z.B. P. fuscicornis (L.),
P. malvae (Ill.), P.
menetriesi (Fald.), P.
fuscipes (F.)) an den Arten dieser Pflanzenfamilie. Eine nähere Analyse der
Wirtspflanzenbesiedlung steht noch aus.
Funde aus Südwestdeutschland,
dem Rhein- und dem Maintal
Maintal
/ Hessen:
Den
ersten jüngeren datierten deutschen Fund findet man bei
Liebegott (1989) für Hessen. Er
meldete ein Exemplar für Frankfurt/Main: „In einer Wohnung am Fenster,
VIII.1974 (Liebegott).“ Neuere Funde nach G. Hofmann (schriftl.
Mitteilung) auch aus der Umgebung von Frankfurt (leg.
G. Flechtner) und Hanau (leg. W. Höhner).
Maintal
/ Bayern:
6 MM und 5 WW fand G. Hofmann
in einem Garten in
Stockstadt am Main an Alcea am
19.6.1999 (Gerstmeier 2000);
seither tritt die Art dort regelmäßig auf.
Rheinland:
Von Schmitz & Maczey (1993) wird die
Art als neu für die Rheinprovinz gemeldet, wo sie in einem Bauerngarten in
Bonn-Beuel in einigen Exemplaren festgestellt wurde.
Nach
Köhler (1995) und Stüben (mündl. Mitteilung 2002) hielten sich aus Südfrankreich
mitgebrachte Tiere über drei Jahre hinweg in einem Garten in Mönchengladbach.
Das Vorkommen wurde danach erst durch Baumaßnahmen beseitigt.
Südwestdeutschland / Nordwest-Schweiz /
Rheintal:
Erste
Funde aus Süddeutschland wurden durch den Apionspezialisten Ch. Maus („Südbaden
ab 1993“) bekannt (schriftl. Mitteilung). Kleß
(1995) meldet die Art nach zwei Funden im Breisgau im
Sommer 1994 (Freiburg-Wiehre und im Westen Freiburgs) als neu für
Südwestdeutschland.
Hinzu
kommen Funde von Ch. Neumann
(schriftl. Mitteilung) in der Freiburger Innenstadt
(seit 1997), Staufen bei Freiburg (ab 1998) und Weil am Rhein (Juli 2000). Ihm
gelangen auch Nachweise aus der angrenzenden Schweiz: Basel (Kleinbasel 1999).
Rheinland-Pfalz:
Weiter nördlich am
Rhein sammelte F. Köhler
(schriftl. Mitteilung) bei Wachenheim bei
Ludwigshafen am Kemmertsberg am 29.6.1996 17 Ex. auf Alcea an einer
Weinbergsböschung.
Funde aus dem
Saarland
Eisinger
(schriftl. Mitt.) fand in Saarbrücken anfangs nur Einzelexemplare (28.6.1996, 15.7.1998: Garten Saarbrücken-Malstatt),
seitdem hat die Art aber zugenommen und wurde auch an anderen Stellen gefunden
(Saarbrücken-St. Johann, 1.7.1999, über 20 Ex.).
Funde aus
Norddeutschland
Andreas
Herrmann
(schriftl. Mitteilung) kennt für den Hamburger Raum bereits Funde aus den Jahren 1990 / 1991 (Hamburg-Neugraben, Garten von M. Zeising) und „Harburger Berge“ (von K. Hengmith). Ein weiterer aktueller Fund
stammt von Axel Bellmann (schriftl.
Mitteilung): Bremen-Oberneuland, 26.6.2000, 4 Ex. an Alcea im Garten.
Funde in Berlin
Die Rüsselkäferfauna von Berlin ist seit 1981 intensiv bearbeitet
und mit einer Gesamtartenliste dokumentiert worden (Winkelmann 1991). Seit der Wiedervereinigung wurde auch die
Rüsselkäferfauna der östlichen Stadtteile untersucht. Ein Nachweis von Rhopalapion
longirostre wäre sicher sofort bekannt geworden, erfolgte bis 2001 aber
nicht. Erst am 28.6.2001 wurden 4 Exemplare (2 MM, 2 WW) von Rhopalapion
longirostre im Garten von H. Winkelmann
auf einer Stockrose entdeckt. Die Tiere kopulierten auf den oberen Blättern [Fig. 3], der Blütenstand war noch nicht voll entwickelt und die
Blütenknospen noch klein und geschlossen. Gefressen wurde an der Unterseite der
Blätter, so dass ein feines Lochmuster entstand. In den nächsten Tagen
kopulierten die Tiere auch auf den großen, noch geschlossenen Blütenknospen [Fig. 7], in die die Weibchen ihre langen Rüssel einbohrten.
Mit Beginn der Blütezeit waren keine Käfer mehr zu beobachten. Da
die reifenden Fruchtstände einzelne
Einstichlöcher aufwiesen, wurden mehrere nach dem Abtrocknen in eine Dose überführt und kühl gestellt (ungeheizter Raum). Erst
bei einer Kontrolle am 10.12.2001 konnten
zwischen den trockenen Samen insgesamt 16 Exemplare von Rhopalapion
longirostre festgestellt werden; einige waren gerade dabei, sich aus den Samen herauszuarbeiten [Fig.
8]. Die Tiere wurden kühl aber frostrei
gehalten und hatten lediglich die trockenen Fruchtstände zur Verfügung. Anfang
Februar 2002 starben einige Exemplare, die
verbliebenen Tiere erhielten kleine
Stockrosenblätter, die jedoch nicht gleich angerüsselt (= mit einem
Lochmuster versehen) wurden.
Negativmeldungen
Ein Absuchen zahlreicher
Stockrosen-Bestände nach Rhopalapion longirostre im Jahre 2001 in Hildesheim,
Groß Giesen (bei Hildesheim; Niedersachsen) und in
Frille-Petershagen bei Minden/Wesertal (Westfalen)
verlief negativ, ebenso eine Suche im Jahre 1999 in Hannover-Linden.
Auch Ludger Schmidt konnte die
Art bisher in Hannover nicht nachweisen, und Jörn Lehmhus hat ohne Erfolg zwischen 1997 und 2000 mehrfach
Stockrosen-Bestände im Berggarten und auf dem Gelände der Universität Hannover
in Hannover-Herrenhausen kontrolliert. Dr. Arved Lompe (schriftl. Mitteilung) aus Nienburg / Weser kennt die
Art bisher nicht aus Nienburg bzw. dem übrigen Niedersachsen; er teilt aber
einen Fund aus Österreich vom Neusiedler See (Burgenland) aus dem Jahre 1978
mit. Auch aus den östlichen Bundesländern Deutschlands gibt es bis Ende 2001
mit Ausnahme Berlins keine Nachweise. Nach Palm (schriftl. Mitteilung) sind aus
Dänemark und dem übrigen Nordeuropa noch keine Funde gemeldet worden, und auch aus Luxemburg (BRAUNERT, schriftl. Mitteilung) und Polen (Knutelski & Petryszak 1997) liegen
noch keine Funde vor.
Ohne
Zweifel ist die Anzahl der Funde von Rhopalapion longirostre in
Deutschland in den letzten 20 Jahren auffällig angestiegen.
Gab es ursprünglich nur einzelne Nachweise aus Süddeutschland, sind nun auch
Funde aus Nord- und Ostdeutschland gemeldet worden.
Wo ursprünglich nur Einzelexemplare auftauchten,
ließen sich inzwischen kleinere Populationen mit über 10 Exemplaren
nachweisen, womit eine erfolgreiche Reproduktion und Überwinterung angenommen
werden kann.
Rhopalapion longirostre wurde in
den letzten 2 Jahrzehnten an mehreren Stellen in Deutschland angetroffen und
hat sich vielfach etabliert. Es fällt auf, dass es keine älteren Funde gibt,
und dass den Nachweisen aus diversen Regionen wahrscheinlich Einschleppungen
(mit Samen, im Reisegepäck o.ä.) über größere Entfernungen vorausgehen.
Jedenfalls gibt es zumindest in den nördlichen Regionen keine Nachweise
(Schleswig-Holstein, Dänemark) bzw. keine Nachweise aus den zwischen den
Großstädten (Bremen, Hamburg, Berlin) liegenden Gebieten. Auch eine gezielte Suche
entlang potentieller Ausbreitungswege (z.B. im Wesertal) erbrachte keinen
Hinweis auf Eigenausbreitung über größere Distanzen in Norddeutschland; siehe
auch [Nota 1].
Dagegen
stellt sich die Situation im südlichen Deutschland, insbesondere entlang von Rhein
und Main, etwas anders dar: Vielfach wurden hier anfangs nur kleine
Populationen beobachtet, die in den Folgejahren deutlich größer wurden (z.B.
Bonn-Beuel, Saarbrücken). Entlang des Rheins sind die Funde inzwischen so
zahlreich, dass hier auch Eigenausbreitungen erfolgt sein dürften. Dafür
spricht auch der Fund am Kemmertsberg 1996 außerhalb einer größeren Stadt.
Bemerkenswert ist, dass Wagner noch um 1940 (in Dieckmann 1977) selbst für Österreich
nur von Einschleppungen ausging. Heute hat sich diese Zone mit fest
eingebürgerten Vorkommen auffällig weiter nach Norden bzw. Nordwesten
verlagert. Wahrscheinlich wurde die Art auch früher schon des öfteren nach
Deutschland bzw. ins zentrale und nördliche Mitteleuropa eingeschleppt; aber
erst die Erwärmung des Klimas hat dann eine erfolgreiche Etablierung in vielen
dieser Gebiete ermöglicht. Die Ausbreitung nach Mitteleuropa ist im Gegensatz
zu vielen anderen gut dokumentierten Fällen entweder nicht beachtet und belegt
worden oder vor allem durch Ein- oder Verschleppungen gekennzeichnet (mit
nachfolgender innerstädtischer Eigenausbreitung im Norden und wahrscheinlich
etwas größerer Eigenausbreitung im Süden). Sie ist zumindest im Norden mit der
der flugunfähigen Otiorhynchus-Arten vergleichbar, bei denen eine
innerstädtische Eigenausbreitung im Gegensatz zu der flugfähiger Arten
allerdings nur über den Boden erfolgen kann.
Einige weitere Beispiele von
wärmeliebenden Arten, die sich in letzter Zeit neue Gebiete über größere
Distanzen wohl ausschließlich durch Eigenausbreitung erschlossen haben, sind
z.B. Ceutorhynchus canaliculatus, Ceutorhynchus niyazii, Lixus
rubicundus und Sirocalodes mixtus (BAYER 2001, MEYBOHM 1999, WINKELMANN 1992, SCHMIDT et al. 2000, ZIEGLER 1999).
Auch im Falle von Aspidapion
validum wird bei dem Vorkommen nördlich der Alpen in erster Linie von
kurzfristigen Einschleppungen mit Alcea rosea-Samen ausgegangen (Lohse 1981). Eine weitere
Nordausbreitung dieser bei uns nur in Süddeutschland vorkommenden Art konnte
bisher aber nicht festgestellt werden.
Von einer weiteren an Alcea
rosea lebenden Art, Alocentron curvirostre, die im südöstlichen
Mitteleuropa, dem Balkan und Vorderasien vorkommt, sind bisher keine
Ansiedlungen in Mitteleuropa bekannt geworden. Diese Art lebt im Gegensatz zu Rh.
longirostre im Stängel und könnte daher nur mit größeren Pflanzenteilen
verschleppt werden.
Strukturreiche Kleingärten bzw.
Bauerngärten mit einer großen Pflanzenartenvielfalt und mäßiger Pflege und
Gärten, in denen Pflanzen mit samenbildenden Blüten verwendet werden, können
wichtige Trittsteine und Lebensstätten für eine arten- und individuenreiche
Insektenfauna sein (z.B. Hagen 1990:
112ff.). Letzteres gilt auch für Rhopalapion
longirostre, zumal gefüllte Stockrosen in der
Regel keine Samenanlagen ausbilden.
Auch aus einigen Nachbarländern
gibt es Neumeldungen von Rhopalapion longirostre aus den
letzten Jahren: Frankreich (Perrin 1984)
und Niederlande (Kuijper-Nannenga 1995). Aus Belgien gibt es anscheinend keine aktuellen Rüsselkäferdaten!
Wegen
der guten Erkennbarkeit und leichten Nachweismöglichkeit wird vorgeschlagen,
das aktuelle Ausbreitungsgeschehen bei Rhopalapion longirostre in
Deutschland und angrenzenden Gebieten genauer zu dokumentieren. Die Kolleginnen
und Kollegen werden gebeten, in diesem Jahr (2002) die ihnen bekannten
Stockrosen-Vorkommen auf die Präsenz oder das Fehlen von Rhopalapion
longirostre zu überprüfen und in den folgenden Jahren eine Überprüfung
vorzunehmen. Bei Vorhandensein der Weibchen kann dies über eine optische
Erfassung der Bestände erfolgen. Daten könnten an die Autoren übermittelt
werden. Bitte teilen Sie uns auch mit, wenn Sie die Funde selbst publizieren
wollen oder schon publiziert haben.
Die vorliegende Arbeit wäre nicht ohne die umfangreiche Hilfe zahlreicher Kollegen möglich gewesen. Bedanken möchten wir uns besonders bei den Mitgliedern des CURCULIO-Instituts: Friedhelm Bahr, Christoph Bayer, Peter Stüben und Theodoor Heijerman, die mit uns die Thematik der Ausbreitung bei einem Arbeitstreffen diskutierten.
Unser Dank gilt auch Till Tolasch, über dessen Mailingliste (coleoptera@entomologie.de) eine am 29.6.2001 durchgeführte Rundfrage im Internet zahlreiche aktuelle Hinweise erbrachte. Unser besonderer Dank geht an die Kollegen Axel Bellmann, Carlo Braunert, Dietmar Eisinger, Andreas Herrmann, Günter Hofmann, Wilhelm Höhner, Frank Köhler, Jörn Lehmhus, Arved Lompe, Christian Maus, Christoph Neumann, Eivind Palm, Ludger Schmidt und Dré Teunissen.
Gerstmeier, R. (2000): 20. Bericht der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer
Koleopterologen. - NachrBl. bayer. Ent. 49 (3/4), 54-58.
Hagen, E. von (1990): Hummeln bestimmen, ansiedeln, vermehren, schützen.
256 S. - Natur-Verlag, Augsburg.
Hammer, K. (1994): Familie Malvengewächse, Malvaceae.
Blütenpflanzen 2. - URANIA-Pflanzenreich. Leipzig, Jena, Berlin,
152-159
Kuijper-Nannenga, J. L. (1995): Rhopalapion longirostre nieuw voor Nederland: een grote sprong noordwaarts (Coleoptera: Apionidae). - Ent. Ber., Amst. 55 (1), 4-5.
Lohse, G.A. (1981): 5. Unterfamilie: Apioninae. In: Freude, H., K.W. Harde & G.A. Lohse (Hrsg): Die Käfer Mitteleuropas 10. Rhynchophora: Curculionidae (Rhinomacerinae - Leptopiinae). - Krefeld, 127-183.
Wagner, H.
(1941): Über das Sammeln von Apionen. Kol. Rdsch. 26 (1940), 41-65.
Winkelmann, H. (1992): Verbreitungsdynamik und
Arealveränderungen bei Rüsselkäfern (Curculionidae). - Insecta, Berlin 1,
69-72.
Ziegler, W. (1999): Fünfter Nachtrag zur Käferfauna von
Schleswig-Holstein und dem Niederelbegebiet. - Bombus 3, 153-164.
Attendorner Weg 39A
D-13507 Berlin
eMail: Winkelmann.Coleopt.Curcul@t-online.de